Kalorienbilanz – Sinn oder Unsinn?
Kommen wir zuerst zur Theorie – also der Sinn.
Die Masseinheit für Energie, welche in Lebensmittel steckt sind Kalorien. Durch die Nahrungsaufnahme führen wir uns Energie zu und wir verbrauchen Energie, wenn wir uns bewegen und die Körperfunktionen aufrecht erhalten. Dieses Verhältnis ist die Kalorienbilanz. Wenn nun mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht wird, dann ist eine positive Kalorienbilanz gegeben. Ein Grund wäre vielleicht dieser: Es wird zu viel gegessen und die Bewegung ist zu wenig. Da sich die Überschüssigen Kalorien nicht einfach so in Luft auflösen, werden sie zwangsweise im menschlichen Körper vorzugsweise als Fett im Fettgewebe gespeichert. So nimmt der Körperfettanteil zu und dies führt auf Dauer gesehen zu Fettleibigkeit.
Ist der Mensch ĂĽbergewichtig, ist das die Folge eines unausgewogenen Lebensstils. Er isst zu viel und bewegt sich zu wenig – fĂĽr seinen Lebensstil ist der Mensch ganz allein fĂĽr sich selbst verantwortlich.
Um das überschüssige Fett wieder zu verlieren, wird eine negative Kalorienbilanz benötigt. Es muss dann mehr Kalorien verbraucht werden, als aufgenommen wird. Dies kann bedeuten, das nun mehr Bewegung in Form von Sport betrieben wird, oder man macht eine Diät. Effektiv wäre natürlich beides zu kombinieren. Man kann es auch so erklären: Man betreibt eine Unterernährung und steigt gleichzeitig die körperliche Leistung.
Das Ziel ist nun eine ausgewogene Kalorienbilanz zu erreichen. Also so viel Kalorien aufzunehmen, wie sie auch verbraucht werden. Aber wie genau kann man seinen Energiebedarf bestimmen? Nun könnte man die mit Geräten messen lassen, wo man den ganzen Tag via Atemmaske die Aufnahme von Sauerstoff und die Abgabe von Kohlenstoffdioxid misst. So könnte man den tatsächlichen Energiebedarf gut ableiten. Dies wäre aber nur eine Momentaufnahme, da jeder Tag einen anderen Kalorienverbrauch hat, je nachdem, wie viel man sich bewegt.
Der Kalorienbedarf kann daher nur geschätzt werden. Es gibt dazu eine allgemeine Formel, mit denen man anhand von Gewicht, Körpergrösse, Geschlecht und Alter, sowie verschiedenen Lebensstilfaktoren, den ungefähren Energieverbrauch grob abschätzen kann. Der tatsächliche Verbrauch kann durchaus um 200 bis 300 Kalorien nach oben oder unten schwanken.
Nun haben wir als Beispiel einen Energiebedarf von 2000 kcal ermittelt. Was bedeutet dies nun. Man solle nun nicht mehr wie 2000 kcal am Tag zu sich nehmen. Um dies vernünftig umzusetzen, bleibt einem nichts anderes übrig als ein Ernährungsprotokoll bzw. Ein Ernährungstagebuch zu führen um so die Kalorien zu zählen. So wird jede Mahlzeit ganz genau mit Mengen und Zutaten festgehalten. Nun ist dies ein grosser Aufwand und nicht wirklich in jeden Alltag zu intrigieren.
Eine Idee wäre hier sicherlich ein Tagebuch zu führen und es versuchen aktuell zu halten. Man bekommt so einen raschen Überblick wieviel Kalorien man zu sich nimmt und ob die Bilanz eingehalten wird.
Nehmen wir nun einmal an, man würde jeden Tag 100 kcal mehr zu sich nehmen, als man wirklich verbraucht. 100 kcal ist eine Scheibe Toastbrot oder 25g Cheddarkäse. In einem Jahr, also nach 365 Tagen, hätte man einen Energieüberschuss von 36.500 kcal. Um 1 kg Fettgewebe aufbauen zu können, benötigt man Nur 7000 kcal. Nach dem Gesetz der Kalorienbilanz hätte man mehr als 5 kg Gewicht zugelegt und das mit nur einer Scheibe Toast oder einem Stück Cheddarkäse am Tag mehr.
Soweit so gut die Theorie. Kommen wir nun zum Unsinn.
Der Mensch ist keine Maschine. Viele unerforschte Variablen, die zum Teil noch gar nicht richtig bekannt sind, lässt die Formel der Kalorienbilanz ausser Acht. Vieles wissen wir vom menschlichen Körper nicht. Aber wir wissen folgendes.
Der Bedarf oder der Verbrauch von Energie ist variabel. Er ist abhängig vom Stoffwechsel und der Aktivität vom Menschen. Darüber hinaus ist er auch noch abhängig von der Energie die er zur Verfügung hat. Wer nichts isst, hat keine Energie und er verbraucht weniger, weil er sich in Folge auch weniger bewegt. Einer Variable ist die Energiezufuhr, die man selbst sehr gut steuern kann. Man kann viel essen und nicht so viel. Aber dennoch ist man seinem Hungergefühl unterworfen. Der Energieverbrauch ist nicht nur vom Hunger allein abhängig sondern auch Hormonen, die keinem Energieverbrauch unterliegen. Die Gewinnung von Energie ist darüber hinaus unterschiedlich und abhängig von der Bakterienbesiedlung des Darms. Spezifische Bakterien die über die zugefügte Nahrung unterschiedlich effizient verwerten und in für uns verfügbare Energie umwandeln.
Auch die Speicherung der Energie ist variabel. Die Energiespeicherung richtet sich nach dem Niveau des Stoffwechsels, nach der Art der Kalorien die aufgenommen werden, nach dem Hormonspiegel und mehr. Sie hat direkten Einfluss auf den Bedarf und der Zufuhr von Energie. Nun es handelt es sich um drei miteinander verbundene Variablen mit weiteren Verknüpfungen. Nicht alle Faktoren sind bekannt und deshalb ist die Gleichung auch nicht lösbar. Das ist der Grund warum die Kalorienbilanz für die Kontrolle des Gewichtes unsinn ist.
Schauen wir uns nun einige Probleme der Energiebilanz fĂĽr den Menschen an.
Wie oben schon einmal erwähnt ist der genaue Kalorienbedarf nicht exakt bestimmbar, also ist er erst einmal unbekannt. Es gibt verschiedene Formeln zur Berechnung der Energiebedarfs, die in der Regel von einem Grundumsatz ausgehen – etwa das was der Mensch im Ruhezustand und normale Funktionen zu Erhaltung der körperlichen Funktionen wie Atmen, Herzschlag usw. benötigt. Dazu wird dann der Aktivitätsbedarf berechnet, so etwas wie BĂĽroarbeit oder gelegentlicher Sport. Das Problem an diesen Formeln ist dieses das die Formeln davon ausgehen, das alle Menschen einen gleichmässigen effizienten Stoffwechsel besitzen und jeden Tag gleich „er“leben. Dies ist aber nicht der Fall. Oftmals wird darauf hingewiesen das die Kalorienbilanz nicht täglich zu verstehen sei, sonder ĂĽber längere Zeit betrachtet werden mĂĽsse. Auch dies wäre als Unsinn zu verstehen.
Eine genau Energiezufuhr ist auch nicht exakt zu bestimmen und auch diese ist daher unbekannt. Zwei Äpfel haben nie den selben Energiegehalt. Grade natürliche Lebensmittel unterliegen Schwankungen und so können die Daten von noch so gewissenhaft erstellten Tabellen keine genaue Auskunft über den Kaloriengehalt von individuellen Lebensmitteln geben. Wir erhalten auch hier nur einen Mittelwert und dieser kann langfristig gesehen eine positive oder negative Wirkung verursachen (erinnern wir uns an das Beispiel mit den 100 kcal mehr pro Tag zurück).
Der Grad der Bewegung ist auch abhängig von der Art und Menge der zugefĂĽgten Kalorien. Wenn mal viel isst, bekommt der Körper mehr Energie in Form der Kalorien und man hat dann das GefĂĽhl das man gestärkt ist und „Bäume ausreissen“ könnte bzw können wir uns dann auch mehr bewegen. Der Körper sorgt in der Regel dafĂĽr von ganz alleine. Wenn Kinder bei einer Party SĂĽssigkeiten naschen, kann man dann gut beobachten wie der Körper die verfĂĽgbare Energie bemerkt und zur Bewegung anregt, die Kinder werden dann meist unruhiger, aufgekratzt, lauter und rennen mehr umher – wenn man sie denn lässt. Auch die Muskeln arbeiten unterschiedlich effizient. Die Umwandlung von Energie in Muskelarbeit kann sich bei gleichen Trainingstand 20 bis 30 Prozent unterscheiden. Wobei der eine zum „Abarbeiten“ eines Schokoladeneis länger benötigt als der anderer.
Nun auch der Stoffwechsel arbeitet abhängig von der zur VerfĂĽgung stehenden Energie. Besteht Hunger, also ein Energiemangel, fährt der Stoffwechsel seine Leistung herunter um so Energie ein zu sparen. Dem Hungernden wird schnell kalt, man wird schlapp, sogar leicht reizbar, womöglich auch noch depressiv. Andersrum, wenn jemand mehr isst als der Körper grade benötigt, fĂĽhlt man sich eher voller Energie, ja fit, man bekommt womöglich HitzeschĂĽbe – Thermogenese – und ist ausgelassener. Hat man am Tag ĂĽber insgesamt viel gegessen, ist einem womöglich auch nachts sehr warm man lässt nun automatisch ein Bein unter der Decke hervorschauen um so die ĂĽberschĂĽssige Energie zu verschwenden.
Auch die Art der zugefĂĽgten Kalorien beeinflussen direkt den Stoffwechsel, Hunger und Speicherung. Kalorien aus Kohlenhydrate, Fett oder Protein. Kohlenhydrate stimulieren ĂĽber den Insulinausstoss eher die Speicherung. Eiweiss ĂĽbt eher eine Energiefreisetzung durch Glucagon aus. Nährstoffe haben einen unterschiedlichen Einfluss auf Sättigungshormone wie Leptin und Ghrelin und somit auch auf die Energiezufuhr. Es macht dann nun doch einen Unterschied ob man 2000 kcal in Form von Zucker, wo tendenziell mehr Energie gespeichert wird und weniger Energie fĂĽr die Aktivität zur VerfĂĽgung steht als hätte man 2000 kcal in Form von Fett oder Eiweiss verzehrt. Zumal nach dem Verzehr von Zucker man auch potenziell mehr bzw wieder schneller Hunger hätte – die Folge es kommen dann womöglich mehr Kalorien am Tag zusammen als vielleicht gewollt.
Wir sprechen von einem Homöostasegesteuerten Gleichgewichtszustand der durch den Energiehaushalt reguliert wird. Ganz von selbst strebt der menschliche Körper einen Ausgleich an. Er versucht das Gewicht zu halten. Genau dafĂĽr werden Hormone wie Leptin, Ghrelin und Glucagon gebraucht und eingesetzt. So kann durch die Thermogenese Energie verbraucht oder die Stoffwechselaktivität eingeschränkt werden um Energie zu sparen. Dies geschieht alles von ganz alleine, wir können dies nicht bewusst kontrollieren. Aber wir können es stören – bewusst absichtlich oder unbewusst unbeabsichtigt. Zum Beispiel mit einer ungesunden Ernährung, wenn man viel Zucker isst und so den Insulinhaushalt durcheinander bringt. Oder man hungert ständig und baut so Muskelmasse und Knochensubstanz ab.
Die eiserne Reserve des Körpers ist Fett. Er hält daran fest bis es nicht mehr anders geht, dies ist eine weitere, fatale Folge des Glaubens an die Kalorienbilanz. Wenn man mit einer negativen Kalorienbilanz auf Dauer lebt, baut man nicht nur einfach Körperfett ab, man baut auch Körpersubstanz ab. Dazu gehören Muskeln. Hat man keine überschüssige Energie, bewegt man sich weniger und stimuliert so kaum seine Muskeln. Ein Signal, das diese weniger benötigt werden und zum Verbrauch von Energie zur Verfügung stehen.
Die Kalorienbilanz ist Unsinn
Auch nach aktuellem Stand der Wissenschaft stimmen die Gesetze der Thermodynamik. Und auch die Kalorienbilanztheorie stimmt. Wenn man mehr Energie zu sich nimmt, als man verbraucht, wird man zunehmen. Jedoch die Faktoren – Bedarf/ Verbrauch, Zufuhr und Speicherung liegen grössenteils nicht in unserer Hand und deswegen ist zur Steuerung der Körpergewichtes die Kalorienbilanz unsinn. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, das wenn man seinen errechneten Energiebedarf langfristig nicht deckt, Gewicht verliert, man verliert Fett, Muskeln und Knochensubstanz, man ist energielos und friert schneller, wahrscheinlich wird man auch psychologisch beeinträchtigt. DafĂĽr sorgt der Körper durch die Homöostase. Wenn man nun aber langfristig mehr Kalorien isst, als man verbraucht und seinen Bewegungsdrang nicht nachgibt, wird wahrscheinlich neben Muskelmasse auch Fettgewebe aufgebaut. Man wird es durchaus wärmer haben und man fĂĽhlt sich recht glĂĽcklich. Auch dies ist der Homöostase gut zu schreiben.
Es ist von der individuellen Stoffwechseleffizienz und von der Art der zugeführten Kalorien abhängig wann und in welchen Mass diese Zustände einsetzten. Wenn man die Homöostase des Körpers unterstützen bzw in seiner Arbeit wenig einschränken will, sollte sich bewusst, natürlich und gesund von „echten“ Nahrungsmitteln ernähren.